Die Reise des Kunden dauert fast immer länger – von der sog. „Bedürfnisweckung“, dem Bewusstwerden eines „Mangels“ bis zum Kauf ist es oft ein langer/längerer Weg. Dazwischen liegen meistens mehrere Kontaktpunkte mit dem Unternehmen, und auch mit dem Kauf ist es nicht fertig, Nachbetreuung, Kundenbindung sind ebenso wichtige Aspekte einer gelungenen Kundenreise.
Um diesen Kundenweg, die sog. Customer Journey, besser zu verstehen, lässt sie sich in verschiedene Phasen aufteilen. Hierfür gibt es verschiedene Ansätze, die sich aber im Grundgedanken gleichen.
Lerne in diesem Artikel die einzelnen Phasen der Customer Journey kennen.
Das AIDA-Modell
Um Werbekampagnen zu planen und zu gestalten, wird beispielsweise seit Jahrzehnten nach der sog. AIDA-Formel vorgegangen:
Kunde sieht Fernsehwerbung, sagt, das will ich auch haben, geht in den Laden und kauft.
So simpel, so nachvollziehbar ist das AIDA-Modell. Jede Werbung funktioniert nach diesem Prinzip.
Ok, so einfach wie der klassische AIDA-Ansatz funktioniert das heute aber nicht mehr. Der Kaufprozess, die Customer Journey, ist vielschichtiger geworden mit deutlich mehr Berührungspunkten und Kanälen:
Attention/Awareness (Aufmerksamkeit gewinnen)
Der Kunde wird auf das Produkt oder die Leistung aufmerksam. Vielleicht stellt er auch vorher selber fest, das er einen bestimmten Bedarf hat (daher wird dieser Punkt in neueren Modellen auch gerne „Awareness“ genannt, also „Bewusstsein“). Er schaut sich um, sammelt erste Informationen.
Interest (Interesse wecken)
Das Interesse des Kunden wird größer, die Suche konkretisiert.
Desire (in ein Verlangen umwandeln)
Die eine richtige Lösung scheint gefunden, der Kunde wünscht sich ein bestimmtes Produkt, eine bestimmte Marke.
Action (Handlung erzeugen)
Kontakt zum Anbieter wird aufgenommen, das gewünschte Produkt oder eine Leistung gekauft.
Das AIDA-Modell entspricht mehr der klassischen Produktmarketing-Denkweise und bezieht sich rein auf den typischen Verkaufsprozess.
Die 5 Phasen der Customer Journey
Neuere Modelle erweitern dieses AIDA-Konzept. Bekannt ist das ACPRA-Modell, welches auf der Arbeit des amerikanischen Marketing-Gurus Philip Kotler beruht.
In fünf Phasen wird hier die Kundenreise unterteilt. In jeder Phase hat der Kunde ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Kontaktpunkte.
1. Awareness (Bewusstsein) – Wahrnehmungsphase
Der potenzielle Kunde wird sich eines Problems oder Bedarfs bewusst. Das kann aus ihm selbst herauskommen (z. B. „Ich möchte mich verändern, weiterentwickeln und suche Unterstützung/Coaching“), das kann aber auch von außen kommen (z. B. „Mit dieser Software können Sie Ihren Arbeitsablauf optimieren“).
Er beginnt nun mit der Suche nach Informationen und Lösungen. Dies ist der Beginn der Customer Journey. Manchmal wird sogar noch eine Pre-Awareness-Phase definiert. Hier ist sich dann der Kunde seines Bedarfs noch nicht bewusst oder nimmt diesen nicht so wahr.
In dieser (Pre-)Awareness-Phase geht es noch nicht um irgendwelche Produktdetails, Preise oder ähnliches, sondern darum, als Unternehmen und Marke überhaupt präsent zu sein, um wahrgenommen zu werden (also Aufmerksamkeit zu bekommen).
Eigener (Website- oder Social Media-)Content kann hier eine große Wirkung erzeugen. Dieser muss dann relevant und informativ sein und vor allem: er muss über die klassischen Unternehmens- und Produktinfos hinausgehen. Denn in diesem Abschnitt der Kundenreise sind eben noch andere Themen und Fragen relevant. Wenn der Content aber hier schon einen Mehrwert für die Zielgruppe liefert, dann ist die Aufmerksamkeit gewiss.
Unternehmensziel in der Awareness Phase:
Bewusstsein für Marke und Angebot schaffen und Aufmerksamkeit erzeugen.
Typische Fragen:
- Welche Strategien habe ich, um das Interesse meiner Zielgruppe zu wecken?
- Verstehe ich meine angestrebte Zielgruppe ausreichend gut?
- Wie möchte ich, dass meine potenziellen Kunden in meinem Unternehmen behandelt werden?
- Welche traditionellen oder modernen Werbemethoden ziehen die Aufmerksamkeit meiner Zielgruppe auf sich?
- Wie kann ich das Interesse an meinen Produkten oder Dienstleistungen steigern?
Kanäle und Touchpoints für die Awareness Phase:
- Klassische Medien wie Messen, Konferenzen, Print-, Werbeanzeigen
- Mund-zu-Mund-Propaganda
- Digitale Kanäle wie Social Media, Online-Banner oder auch Suchergebnisse
Maßnahmen für die Website in der Awareness Phase:
- Suchmaschinenoptimierte Texte
- Blogartikel (die z. B. das Bewusstsein wecken oder den Bedarf aufgreifen)
- Landingpages
- Infografiken
- Und darüber hinaus: Zugeschnittener Content für soziale Netzwerke.
2. Consideration (Überlegung) – Entscheidungsphase
In dieser Phase überlegt sich der Kunde, wie er das Problem lösen kann bzw. den Bedarf befriedigen kann. Hier entsteht zum ersten Mal die (unbewusste) Überlegung, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu kaufen. Er sucht sich nun verschiedene Informationen über die Anbieter und Angebote zusammen.
Die Suche ergibt für den Kunden eine (kleine) Liste an infrage kommenden Angeboten. Hierbei entstehen oft schon erste Kontakte zu möglichen Anbietern. Als solcher geht es daher darum, Kompetenz zu zeigen und Vertrauen aufzubauen durch beispielsweise Referenzen, Testimonials oder Case Studies.
Unternehmensziel in der Consideration-Phase:
Kompetenz und Expertise zeigen, passende Angebote präsentieren.
Typische Fragen:
- Welche Argumente könnten potenzielle Kunden dazu bewegen, sich für meine Produkte oder Dienstleistungen zu entscheiden?
- Welche Themen gibt mein Kunde in Suchmaschinen ein, wenn er in Erwägung zieht, mein Produkt zu kaufen?
- Über welche Kanäle kann ich meine Zielgruppe am effektivsten erreichen?
- Wie kann ich mich deutlicher von meinen Mitbewerbern abheben?
- Verfügt mein Unternehmen über ein einzigartiges Verkaufsargument (USP)?
Kanäle und Touchpoints für die Consideration-Phase:
- Recherche auf Websites, Portalen, Foren
- Informationsaufnahme in Blogs, sozialen Netzwerken, Newsletter
- Rezensionen, Bewertungsportale
- Erste Kontaktaufnahme mit Anbieter (E-Mail, Telefon, soziale Netzwerke)
Maßnahmen für die Website in der Consideration-Phase:
- Blogartikel (z. B. Anwendungsfälle zeigen, Fallbeispiele präsentieren)
- Newsletter
- Landingpages
- Retargeting
- E-Books
- Webinare
- Case Studies
3. Purchase (Kauf/Konvertierung) – Akquisitionsphase
In dieser Phase ist die Liste der möglichen Anbieter zusammengeschrumpft, aus wenigen wird die eine passende Lösung gewählt.
Aus dem Interessenten wird nun ein Käufer. Er hat sich bewusst für eine Lösung entschieden und will diese erwerben.
Unternehmensziel in der Purchase-Phase:
Vertrauen vermitteln und Argumente für den Kauf liefern.
Typische Fragen:
- Welche Anreize zur Kaufentscheidung möchte ich an den Berührungspunkten mit dem Kunden setzen?
- Welche Vorzüge haben meine Produkte und Dienstleistungen?
- Welchen Nutzen bringen meine Produkte und Dienstleistungen den potenziellen Kunden?
- Kann ich mich auf vorhandene Referenzen in meinem Unternehmen stützen?
- Gibt es Nutzerbewertungen, Testberichte oder Kritiken, die sich positiv auf die Kaufentscheidung auswirken könnten?
Kanäle und Touchpoints für die Purchase-Phase:
- Online-Shop
- Kauf vor Ort im Geschäft
- Kauf per Mail
Maßnahmen für die Website in der Purchase-Phase:
- Landingpages
- Online-Shop
- Kauf-Option per Mail oder Telefon
- Einfache Kontaktmöglichkeit
- Call-to-Action-Buttons
4. Retention (Erhalt) – Servicephase
Die Reise ist mit dem Kauf aber noch nicht vorbei, denn aus Marketingsicht ist es günstiger, aus Kunden Stammkunden zu machen als Neukunden zu gewinnen!
Der Kunde sollte also nach dem Kauf so zufrieden sein, dass er wiederkommt und aus Überzeugung mit dem Unternehmen in Kontakt bleibt.
Auch nach dem Kauf geht es also darum, weiter Vertrauen aufzubauen und bei Fragen und Problemen da zu sein.
Unternehmensziel in der Retention-Phase:
Dialog zum Kunden aufrechterhalten und Bindung stärken.
Typische Fragen:
- Mit welchen Instrumenten kann ich die Kundenzufriedenheit in meinem Unternehmen messen?
- Welche Kommunikationswege bevorzugen meine Kunden?
- Gibt es interne Prozesse, die regelmäßig zu Verzögerungen oder Problemen führen und die Kundenzufriedenheit negativ beeinflussen könnten?
- Existieren technische Hilfsmittel oder Online-Tools, die diese Probleme lösen können?
Kanäle und Touchpoints für die Retention-Phase:
- Beratung
- Support
- Newsletter
- Soziale Netzwerke
- Kundenbindungsprogramme (z. B. Weiterempfehlungsboni, Geschenke/Give-Aways, Rabatte)
- Upselling-Angebote
Maßnahmen für die Website in der Retention-Phase:
- Blogartikel (z. B. Produkt im Einsatz, was kommt nach dem Produktkauf)
5. Advocacy (Befürwortung) – Bindungsphase
Die beste Art der Werbung: Der Kunde empfiehlt das Produkt (von sich aus) weiter an Freunde und Bekannte. Dank der sozialen Netzwerke ist diese Mund-zu-Mund-Propaganda auch an fremde potenzielle Kunden möglich.
Im Idealfall werden aus Kunden Fans.
Unternehmensziel in der Advocacy-Phase:
Dem Kunden Raum und Möglichkeiten für seine Botschaften geben und eigene geeignete Inhalte entwickeln.
Typische Fragen:
- Welche Strategien habe ich, um meine Kunden langfristig an mein Unternehmen zu binden?
- Wie zufrieden sind meine Kunden mit meinen Produkten, Dienstleistungen und meinem Kundenservice?
- Biete ich Rabatt- oder Treueprogramme für bestehende Kunden an?
- Entstehen nach dem Kauf weitere Vorteile für den Kunden?
- Welche Maßnahmen zur Kundenbindung werden in meinem Unternehmen ergriffen?
- Wie kann ich die Customer Journey meiner Kunden insgesamt verbessern?
Kanäle und Touchpoints für die Advocacy-Phase:
- Rezensionen, Bewertungsportale
- Soziale Netzwerke
- Foren
- Umfragen
- Beratung
- Bestandskundenmanagement
- Spezielle Angebote, Rabatte
- Weiterempfehlungsboni
- Personalisierung
- Newsletter
Maßnahmen für die Website in der Advocacy-Phase:
- Testimonial
Beispielhafte Kunden in den einzelnen Customer Journey Phasen
Die nachfolgende Tabelle veranschaulicht zwei verschiedene Arten der Customer Journey – einmal im B2C- und einmal im B2B-Bereich.
Am Beispiel von Tom, der nach einem Online-Kurs sucht, können wir die typischen Schritte eines Endverbrauchers nachvollziehen. Als Kontrast dazu steht die Reise eines Unternehmens, das sich auf der Suche nach einer passenden Cloud-Softwarelösung befindet. In beiden Fällen durchlaufen die Kunden verschiedene Phasen, von der ersten Bewusstwerdung eines Bedürfnisses oder Problems über die Recherche und Entscheidungsfindung bis hin zum Kauf und darüber hinaus.
Schauen wir uns diese Phasen und Beispiele im Detail an:
Phase | B2C-Beispiel: Tom’s Suche nach einem Online-Kurs | B2B-Beispiel: Firma A’s Suche nach einer Cloud-Software |
---|---|---|
Bewusstseinsphase | Tom erkennt, dass er seine Coding-Fähigkeiten verbessern muss, um eine Beförderung zu bekommen. | Firma A erkennt, dass ihre aktuelle Software nicht mehr ausreicht und eine Cloud-Lösung ihre Effizienz verbessern könnte. |
Recherchephase | Tom sucht online nach möglichen Kursanbietern, vergleicht Preise und liest Bewertungen. | Firma A führt eine umfassende Marktanalyse durch, um herauszufinden, welche Cloud-Softwareanbieter am besten zu ihren Bedürfnissen passen könnten. |
Entscheidungsphase | Tom entscheidet sich nach einer intensiven Recherche für einen Kursanbieter, der qualitativ hochwertige Kurse zu einem erschwinglichen Preis anbietet. | Nach gründlicher Analyse und Vergleich verschiedener Anbieter entscheidet sich Firma A für einen Cloud-Softwareanbieter, der Skalierbarkeit und umfangreiche Funktionen bietet. |
Kaufphase | Tom schreibt sich in den Online-Kurs ein und beginnt, die Materialien durchzugehen. | Firma A kauft eine Lizenz für die Cloud-Software und beginnt mit der Implementierung in ihren Arbeitsabläufen. |
Bindungsphase | Tom ist mit dem Kurs zufrieden und schreibt eine positive Bewertung. Er überlegt, weitere Kurse bei demselben Anbieter zu buchen. | Firma A ist zufrieden mit der Software und dem Kundenservice des Anbieters. Sie entscheiden sich, die Zusammenarbeit fortzusetzen und schauen sich weitere Produkte des Anbieters an. |
Weitere praktische und ausführlichere Beispiele für Customer Journeys findest du im Artikel praktische Beispiele einer Customer Journey.
Die Customer Journey Phasen in der Praxis
Dieses Modell und seine 5 Phasen sind in der Praxis nicht immer starr einzuhalten. Alleine die Dauer der einzelnen Phasen kann von Produkt zu Produkt und von Kunde zu Kunde sehr unterschiedlich verlaufen.
Solch ein Modell kann aber die durchaus komplexe Kundenreise während eines Kaufprozesses visualisieren und vereinfachen. Anhand der Customer Journey können Berührungspunkte und Kanäle identifiziert werden, die ein tieferes Verständnis der Kunden bringen. Sie dient als Basis für wichtige Marketing-, Content- und Website-Entscheidungen.
Weitere Artikel zur Customer Journey:
Bewertungsergebnis: 4.9 / 5. | Anzahl der Bewertungen: 16